Fondazione Prada – Mailand
Die Fondazione Prada ist eine Kunst und Kulturstiftung der Marke Prada. Sie liegt stadtauswärts in der Nähe der Porta Romana, gut erreichbar mit der gelben Metro. Von der Haltestelle der Piazzale Lodi läuft man eine viertel Stunde zu Fuß. Die Adresse ist nicht gerade die feinste, um die Ecke liegt ein Güterbahnhof, hier und da wuchern Bäume und Sträucher am Straßenrand, es gibt ein paar Wohnblocks und Gewerbe. Dennoch wird das Viertel nach und nach beliebter und der Zuzug wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen wird deutlich erkennbar, es gibt eine trendige Cafés und Restaurants und neu konstruierte Wohnblocks.
△ Die Zufahrtsstraße ist gesäumt von riesigen Werbetafeln, die in Großbuchstaben die Fondazione Prada, ihre neuen Ausstellungen und die komplexität der Stiftung ankündigen.
Der mit der Planung beauftragte Architekt Rem Koolhaas hat schon viele Projekte für Prada entworfen und zwar hat er weltweit Showrooms für das Label gestaltet. Das Quartier der Stiftung ist nicht komplett neu, Herr Koolhaas hat die bestehende Bausubstanz einer Gin-Brennerei von 1910 saniert, leicht modifiziert und einige neue Gebäudetrakte hinzugefügt. Am Eingang habe ich das Gefühl den Kultplatz einer Mini-Polis für Kunst zu betreten. Das ganze Areal ist in sich abgeschlossen, die Gebäude sind rechteckig angeordnet und schirmen nach aussen hin festungsartig alles ab. Folgt man vom Haupttor aus dem durch Steinplatten gekennzeichneten Weg, wird der Blick auf den Turm der alten Destillerie gelenkt, der verschwenderisch mit Blattgold überzogenen ist.
Von dort oben habe ich einen wunderbaren Blick, das Gebäude scheint sehr harmonisch mit der urbanen Landschaft von Mailand zu verschmelzen. In der Ferne erkennt man den Torre Velasca, die Madonnina des Mailänder Doms und den Torre Branca von Gio Ponti.
Am Ende des Plattenweges liegt links die von Wes Anderson, dem Regisseur von “Grand Budapest Hotel” gestaltete Bar Luce. Die Bar wirkt auf mich wie eines seiner Film Sets. Mit den Pastelltönen und der Inneneinrichtung der 1950er 1960er Jahre verweist Anderson auf ein altes Kaffeehaus der Mailänder Galleria Vittorio Emanuele. Man kann hier ordentlich flippern, feinstens Cappucino trinken und nach getaner Arbeit gepflegt einen Aperitif zu sich nehmen. Die einzelnen Gebäudekomplexe sind durch Höfe miteinander verbunden. Neu dazu gekommen sind das Podium (eine Ausstellungshalle mit verglaster Fassade), das Kino (ein langer rechteckiger Gebäudeflügel) und der weiße Turm an dem noch gebaut wird (hier werden noch viele weitere Kunstwerke Platz finden).
Lässt man die Bar Luce links liegen kommt rechts das Foyer der Stiftung. Von hier aus gelangt man direkt in das Podium, wo die Eröffnungsausstellung “Serial Classics” präsentiert wurde, ein Rückblick auf die Geschichte der antiken Skulptur. Das Podium erinnert mit seiner von außen sichtbaren Kassettendecke an die Berliner Nationalgalerie von Mies Van der Rohe.
An der Glasfassade und auch an der Trennwand zum Foyer treten drei hohe schmale Türbögen hervor. Diese wiederum thematisieren die Stadtpaläste der Renaissance, einflussreiche Bürger und reiche Kaufleute begannen damals Kunst zu sammeln.
Der Kasseler Apoll(on), auch als „Kassels schöner Jüngling“ bekannt, ist die römische Kopie einer klassisch griechischen Statue.
Die Leuchtzeichen von Rem Koolhaas befinden sich als durchgängiges Motiv auf den einzelnen Gebäuden der Fondazione Prada. Sie verleihen dem ganzen Komplexität und untermalen die Spannung zwischen alt und neu. Vergangenheit und Forschritt. Es können elegante Neonröhren, Projektionen oder eingelassene Leuchtbänder sein.
Stillgelegte Industriebauten wie diese alte Brennerei bieten ein enormes Spektrum an Raumformen – für die sich immer weiter ausdehnende Kunstszene ein ideales Angebot. Koolhaas hat genau das erkannt und die Räumlichkeiten mit Farbelementen, Beleuchtung und wunderbaren Fußböden ideal pointiert. Das “deposito” befindet sich im südlichen Gebäudetrakt. Man gelangt hier hin über eine Reihe von kleineren Räumen, die immer größer werdend in das großzügige Depot münden. Qualifizierte Räume die ein Zusammentreffen mit Kunst angenehm gestalten. Hier kann man atmen, alles auf sich einwirken lassen und weit blicken. In ca. einem Jahr wird der weiße Turm fertiggestellt sein, der Zutritt wird vom Depot erfolgen.
Wie könnte es auch anders sein. Die Aufseher/innen der Stiftung einer weltweit operierenden Modefirma geben qualifiziert und gut gelaunt Auskunft. Sie sind natürlich einheitlich -in diesem Fall grau- uniformiert.
In einem Teil der ehemaligen Zisterne befindet sich das Werk “Lost Love” von Damien Hirst. Ein Aquarium gefüllt mit Wasser, exotischen Fischen, medizinischem Gerät und Modeaccessoires.
Die Hofbereiche verbinden die einzelnen Gebäude und ein jeder Bereich hat seine Eigenart, dieser hier birgt z.B. einen Feigenbaum. Große verspiegelte Flächen der Fassaden sorgen für euphorisierende Lichtspiele.
Wie auch immer ich den Blick schweifen lasse, wird entweder für positive ästhetische Reize gesorgt oder ich werde zum Nachdenken angeregt, wenn ich mir z.B. die Ergebnisse von seelischer Unruhe einer Louise Bourgeois ansehe und mich dabei in einem verschachtelten, vergoldeten Turm befinde. Da braucht man schon mal eine Pause.
Zu den Dauerausstellungen gehört unter anderem die Installation “Processo Grottesco” von Thomas Demand. Der Besucher muss über eine lange Treppe tief in den Keller zu den Geistern und bis zur Grotte hinabsteigen. Betrachter sehen evtl. einen Zusammenhang mit den ästhetischen Merkmalen des italienischen Renaissance-Gartens, da durfte eine Höhle nicht fehlen um die Geister gut zu stimmen.
Das Kino. Stilistisch einwandfrei.
△ Bodenwellen und Unebenheiten sind willkommen, sie werden aufgegriffen und aufgewertet, hier z.B. durch Kopfsteinpflaster und das schöne Hirnholz.
Cambiare cento Lire, dies waren sicherlich mit die ersten italienischen Wörter, die ich Anfang der achtziger Jahre gelernt habe. Ein Tausend Lire Schein musste schnellst möglich in zehn Hundert Lire Stücke getauscht werden.
Game Over! Abschließend kann ich noch sagen, dass das Projekt sehr gelungen ist. An der einstigen Quelle für Spirituosen spüre ich noch heute die fließende Atmosphäre. Kaum angekommen habe ich mich gleich wohl gefühlt, in diesem goldenen Zauberquartier was zum Nachdenken und der Betrachtung der Darstellung verschiedener Realitäten einlädt. Kunst!
Dauerausstellungen:
Thomas Demand (1964)
Robert Gober (1954)
Louise Bourgeois (1911-2010)
Adresse: Largo Isarco, 2, 20135 Milano, Tel.: 02 5467 0515
Eintritt: 10 Euro, die Höfe und die Bar Luce können kostenlos betreten werden.
Die Aussicht vom goldenen Turm.
All photos and text © Katinka Saltzmann
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit, a dopo!
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